Hilfe mein Zuhause ist weg!

schlafendes Stockentenpaar auf gefrorener Wasserfläche

Region Hannover/Niedersachsen: Land unter in weiten Teilen Norddeutschlands und Thüringens. Das Hochwasser der letzten Wochen hat eine Seenlandschaft entstehen lassen, die surreal anmutet. Aber sie ist katastrophal für die Betroffenen. Viele helfende Hände stehen den Menschen zur Seite, deren Hab und Gut bedroht ist. Das ist toll zu sehen und lässt das Vertrauen in das Gute im Menschen wachsen!
Unter den Wildtieren gibt es sogar Profiteure wie die Wasservögel, denen plötzlich ein riesiges Habitat zur Verfügung steht. Aber was ist mit anderen Wildtiere im Untergeschoss des Erdbodens? Mit dem Fuchs, dessen Bau komplett überflutet ist?…

Was ist mit den vielen Kaninchen, Feldhasen, Mäusen, Igeln und Maulwürfen ? Was ist mit den Wildbienen, den Erd- und Wiesenhummeln, die tief im Boden ein trockenes und warmes Plätzchen zum Überwintern gesucht haben?

Kurz gesagt: Ihr Zuhause ist plötzlich pfutsch. Da gibt es nichts mehr. Und im schlimmsten Fall sind sie sogar ertrunken wie die im Winter inaktiven Insekten. Keine Chance. Weggespült und vernichtet sind auch ihre Eier oder Larven wie die der Laufkäfer. Und welche helfende Hand ist hier zu finden?

Erdhummelköniginnen überwintern gerne in der Erde oder an baumbewachsenen Abhängen

Die Tiere, die fliehen konnten, sind auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Nicht leicht, wenn der gewohnte Lebensraum auf einmal komplett unter Wasser steht. Wohin bloß? Verängstigt werden sie dann auch noch zusätzlich von Schaulustigen und Spaziergängern mit oder ohne Hund gestört. In die Enge getriebene Wildtiere wie Rehe, Marder oder Kaninchen fliehen über befahrene Straßen in bewohnte Gebiete. Orientierungslos auf der Suche nach Schutz ist die Gefahr von Kollisionen mit Autos groß.

In der Region Hannover wurde daher vom Kreisjägermeister auf der Grundlage des §32 NJagdG die Notzeit für die überschwemmungsgebiete ausgerufen. Notzeiten sind Zeiträume, in denen Wildtiere ein besonderes Ruhebedürfnis haben. Die Jagd auf Schalenwild ist damit verboten. Stattdessen wird es den Jagdpächtern erlaubt, das Wild in ihren Revieren zusätzlich zu füttern.

Tierarten sind grundsätzlich sehr anpassungsfähig. Die meisten können gut schwimmen und viele sind rechtzeitig vor dem Hochwasser geflohen. Aber auch die Anpassungsfähigkeit hat ihre Grenzen. Nämlich dort, wo es keinen mehr Lebensraum gibt, der Schutz bietet. Bitte macht Ihnen ihr Leben nicht noch schwerer als es ohnehin gerade ist! Sie haben keine organisierte Freiwillige Feuerwehr! Keine Nachbarschaftshilfe wie wir Menschen!

Tote Maus auf dem Boden liegend
Viele Mause werden das Hochwasser nicht überleben. Welche Folgen das in diesem Jahr für ihre Räuber wie Greifvögel haben wird, bleibt abzuwarten.

Was kannst Du tun?

Betretet nicht die angrenzenden Gebiete der überschwemmten Flächen! Das sind bevorzugte Rückzugsgebiete der Wildtiere! Meist sind es höher gelegenen Flächen. Auf Dämmen und Deichen hat derzeit außer den autorisierten Kräften niemand etwas zu suchen! Im schlimmsten Fall fliehen die von Menschen bedrängten Tiere ins Wasser und ertrinken qualvoll in der Strömung!

Update 22.01.2024: zahlreiche tote Wildtiere in Niedersachsen durch rücksichtsloses Verhalten von Menschen

Fahrt insbesondere in ländlichen Gebieten langsam und vorsichtig! Wo ein Tier ist, sind meist mehrere! Hupen und abblenden. Nur wo keine Gefahr droht – z.B. durch nachfolgende Autos – kontrolliert abbremsen.

Selbst Tierarten, deren Lebensraum das Wasser ist, wie Fischotter und Biber, können in Gefahr geraten. Das betrifft vor allem ihre Jungtiere, die noch nicht schnell und kräftig genug sind zu fliehen oder sich gegen das Wasser zu behaupten. Solche Tiere müssen gerettet werden, wenn sie in Not sind. Auch jungen Vögeln macht der Dauerregen zu schaffen.

Was genau zu tun ist, wenn man auf ein hilfloses oder verletztes Wildtier findet, erfährst Du hier beim Tierschutzbund. Außerdem gibt es auch bundesweit Wildtierstationen und Wildtierpflegestellen, die telefonisch erreichbar sind. Hier geht’s zu deren Übersicht nach Postleitzahlen. Und ein Anruf bei der Polizei geht natürlich auch. Die kennt namentlich den zuständigen Jagdpächter für Tierarten, die dem Jagdrecht unterliegen. Solche Tiere auf keinen Fall einfach mittehmen! Denn das wäre strafbare Wilderei!

Igel hinter Erdbeerblättern
Ein gesunder Igel sollte vorrangig in freier Natur bleiben. Da geht es ihm am besten.

Bietet Tieren wie Igeln neue Unterschlupfmöglichkeiten an! Dazu gehören große Laub- und Reisighaufen, trockene Hohlräume unter Steinhaufen, Holzstapeln oder Igelhäuschen. Weitere Infos zum Igelschutz findest Du hier.

Sensibilisiert Eure Mitmenschen für die Problematik der Tiere in der Hochwassersituation! Natürlich gibt es immer Unbelehrbare, aber viele handeln einfach gedankenlos!

Übrigens: Das Beitragsbild mit den zwei ruhenden Stockenten auf einer Wasserfläche ist bereits 2018 in der Eilenriede Hannover aufgenommen worden. Ich habe ein großes Bildarchiv und bei der Auswahl dachte ich: „Passt gut zum Thema und hat Charme.“ Und derzeit stehen tatsächlich viele Bereiche im Stadtwald unter Wasser. Ein ungewöhnlicher Anblick nach den ganzen Dürrejahren. Die tote Maus – ebenfalls ein altes Fundstück aus der Eilenriede – wollte ich nun nicht unbedingt als Beitragsbild nehmen. Zu reißerisch für meinen Geschmack. 🙂

Mehr zum Lebenszyklus von Hummelköniginnen und zum Hummelschutz findest Du hier in meinem Beitrag Summ und Brummstart.

Images and Text © Simone Foedrowitz (F O T O H A B I T A T E). All Rights Reserved.

21 Comments

  1. Schlimm für alle Betroffene, ob Mensch oder Tier. Danke für deinen informativen Beitrag.
    Liebe Grüße Ariana

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    1. Dankeschön, liebe Ariana!

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  2. Eine schöne Rede, die jeder sehen sollte.
    Ich denke, es gibt nur wenige Menschen, die sich dessen bewusst sind.

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    1. Vielen Dank, Rudi!

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  3. Ein sehr wichtiger Beitrag. Vielen Dank!

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    1. Gern geschehen! Das freut mich sehr!

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  4. Ein Thema über das ich mir bisher kaum Gedanken gemacht habe, danke für diesen Beitrag.

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    1. Danke für Deinen schönen Kommentar!

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  5. Dein Beitrag spricht mir aus der Seele. So gut geschrieben und alle gedacht.
    Ich bin noch gar nicht in die Überschwemmungsgebiete gefahren, so schlimm wie in diesem Jahr war es selten bzw. vielleicht noch nie hier. Ertrunkene Maulwürfe habe ich früher schon gefunden und auch Bisamratten die verfroren und verloren auf dem Wasser hockten. Nun kommt auch noch das Eis. Jedenfalls haben die Reiher die ertrunkenen Mäuse sicherlich schon alle gefressen, die sind dann sehr schnell und erfassen solche Situationen zu ihrem Vorteil. Wir werden mal abwarten, was das Frühjahr bringt für die Insekten und Co. Ich war heute den ganzen Tag in Cuxhaven, brrrrr – saukalt aber schön sonnig.
    LG
    Maren

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    1. Liebe Maren, herzlichen Dank! Die Natur ist widerstandsfähig. Es wird sich alles irgendwie einpendeln. Ich hoffe morgen kommt hier auch die Sonne. Mich zieht es in den Wald. ☺️

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  6. Danke für diesen Bericht, liebe Simone. Er ist sehr ernüchternd und wir können nur hoffen, daß sich viele Tiere retten konnten und das Wasser bald wieder zurückgeht.

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    1. Danke Dir, Tanja! Das hoffe ich auch.

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  7. Im ersten Moment dachte ich schon, dein zuhause wäre weg! Das klingt dramatisch und es ist gut, daß du darauf hinweist. Manches macht man sich gar nicht klar. Ich fragte mich auch schon, wie sich das alles auswirken wird. Ich hoffe, daß viele Tiere davongekommen sind. Was die Insekten angeht, bin ich mal zynisch und hoffe, daß in den leergeräumten Agrarlandschaften ohnehin nicht so viele Hummeln vorkommen. Aber sicher noch genug andere Krabbeltiere. Wir können nur hoffen, auch darauf, daß sich viele auf die eine oder andere Insel retten konnten!! Mehr Tragödie verkrafte ich zur Zeit nicht! LG vom Balkon! (nicht wirklich 😉

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    1. Ja, reicht wirklich mit all den schlechten Nachrichten! Zynismus ist eben auch eine Methode mit Wirklichkeiten umzugehen. 😁 Das Problem bei einigen Insekten ist halt ihr eh schon begrenzter und sogar verinselter Lebensraum. Und wenn dann solche bevorzugten Standorte wegfallen, ist es aus mit der Population. Mittlerweile gibt ja schon so einige renaturierte Ufergebiete, auch von kleineren Flüssen. Da wird leider einiges verloren gegangen sein. Aber wir werden sehen, was passieren wird. VG Simone

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    2. Man wundert sich dann manchmal, wer von den Verhältnissen profitiert. Ich bin gespannt, auch wie es wettermäßig weitergeht.

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  8. Ich habe erst gezögert, auf Like zu drücken. Denn das was du da so eindrücklich schilderst, ist ja richtig schlimm, und nichts, was einem gefällt. Deshalb möchte ich mein Like dahingehend verstanden wissen, dass ich es gut finde, dass du ausführlich auf diese Problematik aufmerksam machst. Die wie immer hohe Qualität deiner Fotos steht in gewissem Kontrast zur Tristesse der Umstände, wirken aber im Kontext gerade deshalb umso eindrucksvoller.

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    1. Danke für Dein Statement! Bei solchen Themen verstehe ich Likes immer als positives Statement für das Aufzeigen einer Problematik durch meinen Bericht und die Fotos.
      Ich bin nicht in die Überschwemmungsgebiete gegangen und habe sie dokumentiert, obwohl sie quasi vor der Haustür sind. Und doch hat jeder verstanden, um was es geht und das ist es was zählt.
      Es stimmt, das die meisten Bilder tatsächlich im krassen Gegensatz zu dieser Tritesse stehen. Vielleicht wird uns damit auch stärker bewusst, dass mittlerweile nichts mehr selbstverständlich ist. Der Reichtum der Natur ist nicht mehr unerschöpflich, sondern er erschöpft sich gerade. Aber es ist wichtig, niemals den Kopf in den Sand zu stecken. Deshalb versuche ich bei solchen Themen möglichst Handlungsoptionen mitzugeben. Nichts ist schlimmer als sich ohnmächtig und desillusioniert zurückzuziehen.

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  9. Das ist nun mal Natur, bei uns hat ein Neckarhochwasser ein brütendes Eisvogelpaar ertränkt … 3 Jahre später ist wieder ein anderes Eisvogelpaar am Werk …

    LG Bernhard

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    1. Ja, Hochwasser gehört zu den Naturereignissen, die es nunmal gibt. Und Natur erholt sich meistens. Da stimme ich zu. Es ging mir bei dem Artikel aber vor allem um das richtige Verhalten von Menschen und um die Sensibilisierung der Situation von Tieren in der „Tiefgarage“ des Bodens. Die hatte ich bis dato selber weniger im Blick. Ist aber interessant zu erfahren, dass selbst wassererfahrene Vögel wie Eisvögel ertrinken können. Waren die so auf ihr Nest fixiert, dass sie nicht fliehen wollten?

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    2. Die Eisvögel bauen sich Nester in Höhlen, die sie in den Gewässerabbruchkanten bauen (bis zu 1m tief), wenn da das Hochwasser schnell und in der Nacht kommt, gibt es kein entrinnen …

      LG Bernhard

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    3. Ja, das kann ich mir vorstellen. Und nachts fliegt es sich dann umso schlechter.

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