
Wie jedes Jahr starte ich jetzt in meine Winter-kreativ-selbstreflexions-wohin-gehe-ich-gerade-und-was-will-ich-da-eigentlich? -Pause.
Ein Schwung guter, nur angelesener Bücher begleitet mich. Darunter sind Fotobücher von Top Naturfotografen wie Marsel van Oosten, aber auch etwas schwierigere Kost, wie Harald Welzers neuestes Buch „Nachruf auf mich selbst“. Beste Lektüre, über das Aufhören des „Immer weiter so“ nachzudenken…
Danke für den Buchtipp an dieser Stelle an Werner von AlleAugenblicke. Im Übrigen ein interessanter Blog über „Photographie | Literatur | Philosophie“. Und jetzt: VORSICHT TEXT! Ich hoffe, Ihr bleibt dran! 🙂
2022. Wahnsinn! Dann ist es 20 Jahre her, dass ich mein wissenschaftliches Studium der Landschaftsplanung beendet habe, Schwerpunkt Naturschutz. Einige Jahre habe ich Naturschutzverbänden und anderen Organisationen geholfen, ihre Naturschutzprojekte in Niedersachsen zu verwirklichen. Manche waren erfolgreich, manche weniger.
Zwar bin ich heute beruflich auf anderen Pfaden unterwegs, aber wie man an den Büchern unschwer erkennen kann, ist und bleibt die Natur ein Herzensanliegen.

Growth Seeker
Mir ist es wichtig, so gut es geht auf dem neuesten Stand zu bleiben. Neue Erkenntnisse und Fakten sind unabdingbar, um Sinnvolles umsetzen zu können und Altes und nicht Bewährtes einzustellen. Und den Mut aufzubringen, Innovatives zu wagen. Sich aus der Komfortzone zu bewegen.
Kürzlich bescheinigte mir der Test von PrinciplesYou, dass ich zum großen Anteil dem Typ „Growth Seeker“ angehöre. Growth Seeker – also Wachstumssuchende – „zeichnen sich durch eine ausgeprägte Leidenschaft für das Lernen und die persönliche Entwicklung und Entfaltung aus. Sie neigen dazu, neugierig, bescheiden, offen für neue Ideen und Erfahrungen und anpassungsfähig zu sein“ (englisches Original, siehe hier).
Vieles habe ich zwar auch schon vorher gewusst, aber einige Aspekte waren neu für mich. Interessant auch die Tipps für die Schwachstellen. So komme ich manchmal vor lauter Selbstreflexion nicht dazu, meine Ziele im gesteckten Rahmen zu erreichen. Also, es bleibt genug für mich zu tun und das ist definitiv etwas, womit ich nicht aufhören werde. 😉

Klar, Persönlichkeitstests sollte man immer kritisch mit einem zwinkernden Auge betrachten und nicht alles für bare Münze nehmen. Aber dieser Test von PrinciplesYou, der auf den neuesten Erkenntnissen der Persönlichkeitsforschung basiert, gehört schon eher in die Kategorie „Bringt mir was“.
Er ist wesentlich umfassender (rund 30 Minuten) und man kann ihn im direkten Vergleich zu einer anderen Person machen und so über die Ergebnisse diskutieren. Er hilft herauszufinden, wie man gestrickt ist und gibt Tipps zur Entwicklung. Also, lohnt sich, einfach mal mitzumachen.
Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?
Eine Leitfrage der Neugier ist „Warum?“ Sie ist wesentlich für das Verständnis, für die Ursachenforschung. „Wer nicht fragt bleibt dumm!“ Den Satz kennt sicher jeder aus der Sesamstraße, aber leider geht er den Erwachsenen zunehmend verloren. Statt die Hintergründe zu erfragen, wird gleich geurteilt und verurteilt. Viele sind anscheinend mit ihrer Meinung verheiratet, nicht bereit sich anderen Argumenten zu widmen. Bereit, sich ggf. zu korrigieren oder sich gar zu verändern.
Doch wie wichtig Korrekturen sind, zeigt sich gerade jetzt ganz eindrücklich im Kampf mit dem Coronavirus. „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern eher diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern.“ An dieser Aussage von Charles Darwin ist viel dran. Wer sein Herz an einen in Stein gemeißelten Status Quo in einer Zeit der rasanten Veränderung hängt, hat es schwer. Wege ändern sich, Ausgänge auch.

Unsere Welt ist viel zu komplex für ein kategorisches Schwarzweißdenken. Selbst innerhalb der Landschaftsplanung/ Naturschutz gibt es konkurrierende Bereiche, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Z.B. konservierender Naturschutz versus progressiver Naturschutz. Kompromisse werden vor allem im Siedlungsbereich geschlossen. Und einiges ist dann noch zusätzlich durch den engen Finanzrahmen der Kommunen begrenzt. Das soll aber nicht heißen, dass es hier nicht noch mehr Luft nach oben gibt.
Wer das nicht nachvollziehen möchte, es nicht hinterfragt, kann zu falschen Schlüssen kommen. Aufklärung ist noch immer wichtig, Handeln umso mehr, nicht jedoch blinder Aktivismus. Dann kann man z.B. auch verstehen, warum sachunkundige, dafür billige Fachkräfte der Grünämter jeden Herbst ausrücken und die städtischen Rasenflächen abblasen, was das Zeug hält.
Es ist gerechtfertigt, das manch einem derartige Laubentfernung in Zeiten des Insektensterbens ein Dorn im Auge ist. Doch warum wird das getan und wer ist dafür eigentlich verantwortlich? Der Mensch mit dem Laubbläser als letztes Glied in der Kette? Wohl kaum. Ein Blick in öffentlich zugängliche Planwerke der Landschafts- und Bauleitplanung der Heimatstadt hilft da weiter. Noch mehr Hintergründe erfährt man bei den Planungsprozessen – Stichwort Bürgerbeteiligung.

Dann hat man auch eine Ahnung, warum welche Flächen in der Heimatstadt nun mal so sind wie sie jetzt sind, z.B. statt Wildblumenwiese nur artenarmer Allerweltsrasen für die Erholungsfläche oder im denkmalgeschützten Kurpark. Warum sich lichtliebende Gräser und Berge von verdunkelnden Laub nicht verstehen, ob und wo Neues geplant ist und auch welches die Probleme der Stadt in Sachen Naturschutz sind.
Nicht umsonst heißt das Städtegemeinschaftsprojekt, bei dem auch Hannover mitmacht, „Städte wagen Wildnis“. Es ist tatsächlich ein Wagnis. Für manche ist eine sich selbst überlassene Fläche, die für sie aussieht wie Kraut und Rüben, schlichtweg fürchterlich. Ihre Argumente? Sie lädt zur Müllabladung ein, ist unästhetisch und schadet damit dem Image einer Stadt. Sie ist quasi „schlecht fürs Geschäft!“ und mindert den (monetären) Wert einer Fläche. Sind sie damit gänzlich im Unrecht? Leider nein.
Wir alle sind Teil einer Kommune. Wie viel Verantwortung sind wir bereit zu übernehmen? Es ist wichtig, das System zu verstehen, die Stellschrauben im System zu kennen und seinen eigenen Einfluss einschätzen und nutzen zu wissen. Meckern kann jeder. Etwas tun, um etwas zu bewirken, ist da schon schwieriger.
Eine gute Geschichte erzählen
Sehr lobenswert die Aktion meiner Stadtnachbarin Almuth von naturaufdembalkon. Als vor ihrer Haustür eine wilde Naturecke von der Stadt Hannover auf einmal umgestaltet wurde, ließ sie nicht locker und ging auf Ursachenforschung. Was sie damit erreichte, kann man hier und in den nachfolgenden Beiträgen erfahren. Das sind positive Mutmachgeschichten!
Im Übrigen gab es 2017 in Hannover eine umfangreiche Bürgerbeteiligung zum Freiraumentwicklungskonzept „Stadtgrün 2030“. Jeder konnte seine Ideen, seine Zweifel, seine Bedenken und seine Wünsche kundtun. Leider habe ich – wie viele andere auch – dieses Instrument nicht genutzt. Soviel Selbstkritik muss sein.
Etwas zu tun hilft. Oft bereut man doch eigentlich stärker das, was man versäumt hat zu tun, als das, was man getan hat. Und nebenbei entkommt man aus dieser gefühlten Hilflosigkeit. Empowerment – die (Wieder-)Aneignung von Selbstbestimmung über seine Lebensumstände. Dazu gehört aber auch die Fähigkeit, Unwissenheit und Widersprüchlichkeiten aushalten zu können. Man spricht hier von der so genannten Ambiguitätstoleranz.

Wieder an etwas glauben, eine Vision haben, eine neue, andere und positive (Lebens)-Geschichte erzählen. Sie mit anderen gemeinsam erzählen. Den Fokus auf das Gelingende richten und nicht nur auf die neuesten Horrormeldungen. Im günstigsten Fall kann das eigene Beispiel auch anderen die Kraft geben, ebenfalls ihren Kopf aus den Sand zu ziehen. Eine Win-Win-Situation.
Ihr seht, zahlreiche Gedanken wirbeln in meinem Kopf herum. Jährliche Bestandsinventur ist angesagt. Bin ich zufrieden mit mir? Ist mein Leben so, wie ich es führen möchte? Mehr als die Hälfte davon ist rum. Was ist mir wirklich wichtig? Handle ich tatsächlich danach? Was kann ich ändern und wie setze ich es um? Was mag ich an meiner Fotografie? Wo brauche ich mehr Mut für meine Ideen? Wo ist Entwicklungspotenzial? Was sollte ich einfach sein lassen?

Abkehr und Einkehr. Zeit für die Seele, Zeit für die Rübe. 😁 Meine WP-App wird das Winterpäuschen über auf Eis gelegt. Keine Verführungen möglich. 😉 Also seht es mir nach, wenn ich länger nichts von mir hören lasse. Dafür war der Beitrag diesmal umso länger. Und umso mehr freue ich mich dann wieder auf Euch!!
Kommt alle gut rüber und bleibt gesund! Bis 2022 …
Simone
Bücherliste (meine Anmerkungen in kursiv):
1. Harald Welzer: „Nachruf auf mich selbst“ (Ein Plädoyer für das Aufhören: Seit 2020 gibt es mehr tote (produzierte) Masse als lebendige Biomasse auf der Welt. Und das Produzieren geht munter weiter bei endlichen Ressourcen! Sind wir alle Wirklichkeitsverweigerer?)
2. Marsel van Oosten: „Mutter Erde – Die Schönheit unserer Erde“ (DAS Werk von DEM Naturfotografen schlechthin!!! Keiner hat mehr Titel in der Naturfotografie gewonnen als er. Seine ausdrucksstarken Bilder sind ein Traum! Zudem ein engagierter Naturschützer.)
3. Federico Veronesi: „One Life“ (Wunderschöne Schwarzweißfotografie der afrikanischen Wildnis)
4. Atlas der Naturwunder – Reisen zu den einzigartigsten Phänomenen unserer Erde (Mitautorin ist Andrea Lammert von Indigo-blau – manch einer von Euch wird sie kennen.)
5. Heinz Krimmer: „Aliens der Ozeane – Die bizarre Welt der Tintenfische“ (Unglaubliche Bilder, unglaubliche Fakten einer Art. Würde sie länger als zwei Jahre leben, hätten wir Menschen wohl eine ernstzunehmende Konkurrenz.)
6. Tanja Busse: „Das Sterben der anderen – Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können“ (Ein großes Lob an die Autorin, die es schafft, Komplexes so anschaulich und spannend zu beschreiben.)
7. Jana Zieseniß: „52 kleine & große Eskapaden im Harz“ (Der Harz liegt bei mir um die Ecke, aber ich bin viel zu wenig dort. Das wird sich jetzt wohl ändern.)
8. Photographer Against Wildlife Crime (Ich habe von dem Buch schon hier berichtet. Ziemlich harte Kost, daher nur dosiert zu verkraften. Aber auch mit starken Mutmachgeschichten über Menschen, die unglaublich viel auf sich nehmen, um Tieren zu helfen.)
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