Na, wer bist denn Du da an der Wand?

Hannover: Wer auf diese Frage antwortet: „Na, ein Weberknecht!“, macht es sich leider etwas zu einfach. Das im Volksmund auch unter Schuster, Schneider, Weber, Kanker oder Langbein bekannte Spinnentier „Opiliones“ bringt es nämlich weltweit auf etwa 6.600 Arten! Allein in Deutschland könnte man 52 etablierten Arten begegnen, fünf davon wurden vom Menschen eingeschleppt. Das macht die Bestimmung des Langbeiners an meiner Laubenwand nicht gerade einfach. Zumal es nicht nur Farb- und Zeichnungsunterschiede zwischen Männchen und Weibchen gibt. Nein, die Jungtiere sehen dann auch noch mal anders aus. 🙂 …

Nach langer Recherche und Bildvergleichen tippe ich bei diesem Exemplar, das mir aufmerksam abwartend in die Linse schaute, auf einen ganz jungen Apenninenkanker (Opilio canestrinii).

Der Apenninenkanker lebt vor allem in Kulturlandschaften und im Siedlungsbereich. Er stammt ursprünglich aus dem italienischen Apennin und hat sich stark nach Norden ausgebreitet. Man findet ihn an Hauswänden und in Gärten, z.B. auf Baumstämmen, in Gebüschen und auf Ruderalvegetation wie Brennnesseln. Die Weibchen haben geringelte Beine. Ähnlichkeit hat die Art mit dem Wandkanker (Opilio parietinus), der ebenfalls sonnenbeschienene Wände liebt. In Deutschland ist der Wandkanker allerdings zunehmend von dem Apenninenkanker verdrängt worden.

Die höhergestellten Augenhöcker bieten eine gute Rundumsicht.

Der Unterschied

Allen Opiliones gemeinsam ist die Verwachsung von Vorder- und Hinterkörper und das Fehlen von Spinndrüsen. Beides unterscheidet sie von den ebenfalls achtbeinigen Spinnen, die aber zwei Körperteile besitzen und Fäden produzieren können. Die Weberknechte bilden daher eine eigene Ordnung unter den Spinnentieren.

Hier im Spinnenforum Wiki findet Ihr eine gute Darstellung der Anatomie des Körperaufbaus.

Viele Kanker haben Beine mit mehreren Sollbruchstellen. So wird dann bei Gefahr ein ganzes Bein oder Teile davon zurückgelassen. Allemal besser als ganz erbeutet zu werden. Vorher gibt es aber noch einen kräftigen Hub aus der Stinkdrüse. Das übelriechende Sekret soll den Angreifer erst einmal leicht betäuben. Also doppelte Vorsicht beim Anfassen! 😉 Im übrigen gibt es auch Weberknechtarten, die weit kürzere Beine haben.

Mal ein wenig Abhängen …

Ein weiterer interessanter Unterschied:
Weberknechte haben im Gegensatz zu Webspinnen sogar ein echtes Geschlechtsorgan. Während des Paarungsaktes kann es errigiert eine halbe Körperlänge ausmachen! Wer das jetzt mal genauer nachlesen und auch in einem Bild anschauen möchte, dem sei dieser Bericht von Nationalgeographic empfohlen.

Bei der Recherche für diesen Beitrag hatte ich sehr viel Spaß und habe viele neue Erkenntnisse gewonnen. Ich hoffe, das geht Euch ebenso und der Post konnte Euch eine allgegenwärtige Spezies noch ein wenig näher 😉 bringen …

Images and Text © Simone Foedrowitz (F O T O H A B I T A T E). All Rights Reserved.


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9 Comments

  1. Liebe Simone,

    ein sehr interessanter Beitrag. So genau habe ich mir die Weberknechte noch gar nicht angeschaut. Die sahen für mich alle gleich aus.

    Liebe Grüße, Horst

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    1. Ja, bevor ich recherchierte ging es mir ähnlich. Ich empfehle die Links! Echt erstaunlich 🙂

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  2. Wow, ich hatte keine Ahnung, daß es so viele verschiedene Weberknechtarten gibt. Danke für die interessante Information. Erst vor kurzem habe ich zufällig im Radio den Unterschied zwischen Spinnen und Weberknechten gehört, das war mir auch neu. Glücklicherweise lernt frau nie aus.

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    1. Ja, ich war auch sehr überrascht. Ehrlich gesagt, sahen die alle für mich gleich aus. Aber jetzt schau ich schon genauer hin. Nur nicht zu allzu nahe. So einen Stinkehub will ich nun nicht unbedingt abbekommen! 😅

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  3. Ich finde Dein Blogberichte immer so sehr spannend und auch wenn ich selber schon eine gewisse Menge über Insekten weiss, die genauere Definition und Beschreibung der WEberknechte habe ich nun durch diesen Bericht erfahren. Dabei sitzen die Tierchen bei mir dauernd an der Hauswand, ich geh nachher mal genauer nachschauen,wer da bei mir so sitzt und krabbelt.
    LG
    MAren

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    1. Danke für das schöne Kompliment, liebe Maren! Ich sehe diese Spinnentiere nun auch mit anderen Augen und bin immer gespannt, ob ich tatsächlich verschiedene Arten sehe.

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  4. Das Foto ist der Hammer! Genial. Auf diese Weise wird der sonst so „gewöhnliche“ Weberknecht noch mal zu was außergewöhnlicherem 🙂 Ist er ja eigentlich sowieso, wenn man deine Informationen zu dem Tiere liest. Man sollte doch öfter mal genauer hinsehen. Spannend. Liebe Grüße von weiter nördlich

    Almuth

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    1. Ja, das ist wohl wahr. Ganz interessante Tierchen, die da so unter uns hausen. 😊
      Lieben Dank Almuth u. Grüße von weiter südlich…

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      1. 🙂 Danke!

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